Wir sind auf einer Reise zur Person, die in uns angelegt ist

Eine ausgewogene psychische Verfassung ist vor allem die Folge einer stabilen Einbettung in ein soziales Gefüge und in einen grösseren Sinneszusammenhang. Wir sind vor allem Gestalter unserer psychischen Verfassung und nicht das «Opfer» der Anwürfe von aussen.

Wenn wir über psychisches Erleben nachdenken, dann wird dieses landläufig als ein (vermeintlich) internales Geschehen verstanden. Eine ausgeglichene psychische Verfassung ist jedoch nicht primär das Wohlergehen eines «atomisierten», von seiner Mitwelt losgelösten Individuums. In diesem Zusammenhang hat die Psychologie ein eher reduziertes Verständnis von mentaler Gesundheit in die Welt gesetzt. Eine ausgewogene psychische Verfassung ist vor allem die Folge von einer stabilen Einbettung in ein soziales Gefüge (Familie, Freunde, Gemeinde etc.) und gleichzeitig die Verbindung zu meinem Kern, meinem «wahren Selbst».

Wir steuern unsere Wahrnehmung und unser Verhalten

Die internale Seite meiner psychischen Verfassung, steht im Zusammenhang mit dem Gelingen der Organisation und Integration meiner mir aktiven Subpersönlichkeiten. Subpersönlichkeiten sind eine «Mischung» aus Emotionen und Überzeugungen gekoppelt an Lebenserfahrungen und Körpererleben. So können Ängste, Scham, Wut, Freude, Neugier etc. als voneinander unabhängig handelnde und wertende Persönlichkeitsanteile betrachtet werden. Mit diesen Teilpersönlichkeiten steuern wir unsere Wahrnehmung und unser Verhalten (bzw. es wird von diesen gesteuert abhängig von der jeweiligen Intensität). Erlebe und deute ich die Welt z.B. als einen ewigen Konkurrenz-Kampf, erlebe ich die Welt entsprechend als «Kampfarena». Habe ich die Welt als gefährlich und feindlich in mir repräsentiert (eine Repräsentation ist mein Abbild von der Welt, das ich entworfen habe), werde ich möglicherweise mit Rückzug reagieren und Ausgrenzung erfahren. Deute ich das Leben als eine Reise, um die Person zu werden die in mir angelegt ist, werde ich Widrigkeiten verstehen, an denen ich wachsen und reifen kann («da wo die Angst ist, ist der Weg»). Entscheidend für meine psychische Verfassung sind somit die Repräsentationen von der Welt in meinem Geist.

Wir sind nicht unsere Emotionen

Eine weitere, landläufige Überzeugung geht davon aus, dass andere Menschen unmittelbar Zugang zu meinem Gefühlsleben haben («Du machst mich wütend!») Wir sind den Anwürfen des Lebens und dem Verhalten anderer nicht willenlos ausgeliefert. «Niemand kann mich dazu bringen, bestimmte Gefühle zu haben», sagt der Psychotherapeut Victor Frankl. Wir haben mehr Kontrolle über unsere Gefühle als wir gemeinhin glauben. So kann z.B. eine aufregende Situation und den damit einhergehenden körperlichen Sensationen von feuchten Händen, Herzrasen und einem entwickelten Szenario als «Nervosität» und «Unsicherheit» gedeutet werden. Die in mir auftauchen Körpersensationen können aber auch als «freudige Erwartung» («ich kann etwas lernen,… ich stehe vor einer herausfordernden Aufgabe») gedeutet werden. Abhängig von der Bewertung meiner emotionalen Reaktionen schaffe ich somit verschiedene Realitäten. Dieses bedeutet dann auch: Ich bin nicht meine Emotionen, ich bin nicht meine aggressiven Impulse (Ich bin auch nicht meine Gedanken). Es ist nicht hilfreich, sich mit Emotionen und oder Gedanken zu identifizieren. Anstatt zu sagen «ich bin niedergeschlagen»: in mir zeigen sich Hinweise von Niedergeschlagenheit. Das klingt etwas technisch, verhilft jedoch eine Distanz zum eigenen Erleben herzustellen. Wir sind vor allem «Gestalter» unserer psychischen Verfassung und nicht das «Opfer» der Anwürfe von aussen. Gleichzeitig sind wir als Menschen «verletzbar», insbesondere in der Beziehung zu uns nahestehenden Personen.

Eingebettet in eine grössere Erzählung

Viktor Frankl betont, dass die Seele sich in einer rein diesseitigen Orientierung einem «Optimierungsdruck» durch sog. Antreiber (sei stark, mach alles perfekt, enttäusche niemanden…) ausgesetzt sieht, dem sie auf Dauer nicht standhalten kann. Sie benötigt die Erfahrung des Eingebettet-seins in einen grösseren Sinnzusammenhang, in eine grössere Erzählung, die mein tägliches Handeln übersteigt - der Beitrag zu einer «besseren Welt» und nicht primär einer Orientierung an der Maximierung von Ressourcen.

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Mit Bewegung und Entspannung die innere Balance wiederfinden