Wenn sich alles nur noch um den Menschen mit Burnout dreht…

Bei einem Burnout fokussieren sich Therapie- und Beratungsangebote auf die Betroffenen. Die damit verbundenen Belastungen von Angehörigen sowie Vorgesetzten und Arbeitskolleg:innen gehen dabei oft vergessen. Ein nachhaltiger Ansatz sollte zwingend auch deren Bedürfnisse berücksichtigen.

Fast jeder Fünfte erleidet im Laufe seiner Karriere ein Burnout. Diese Form der psychischen Belastung und der damit verbundene oft lang andauernde Leidensweg ist mittlerweile in breiten Gesellschaftsschichten anerkannt. Ebenso etabliert sind entsprechende Hilfsangebote, Anlaufstellen, therapeutische Settings und Begleitprogramme für die Betroffenen.

Viel zu oft vernachlässigt wird hingegen das Umfeld von Menschen mit psychischen Belastungen. Und das hat Folgen: Während der monate-, teils jahrelangen Leidenszeit sind es die die nächsten Angehörigen sowie die Vorgesetzten und Arbeitskolleg:innen, welche «die volle Breitseite» solcher Erkrankungen zu spüren bekommen. Sie sind es auch, welche die schleichenden Verhaltensänderungen, depressiven Phasen, aber auch die Antriebslosigkeit und fehlende Zuversicht oder lähmende Frustrationen mittragen, wegstecken oder erdulden müssen. Und sie stossen dadurch oft selbst an die eigenen Belastungsgrenzen.

Plötzlich allein mit Job, Haushalt und Familie

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es geht keineswegs darum, die schwere Not psychisch belasteter Menschen gerade im Bereiche Burnout und weiterer Erschöpfungszustände kleinzureden. Aber in der aktuellen Begleitung Betroffener scheinen die Bedürfnisse des nächsten Umfeldes oft ausgeblendet zu werden, obwohl doch genau diesem Personenkreis eine immense Bedeutung zukommt. Sprechen wir also bewusst über die Sorgen der Partnerin, welche neben des eigenen Jobs nun über Monate hinweg den Haushalt und die Kinderbetreuung allein stemmt, weil sonst einfach niemand da ist, um helfend einzuspringen. Oder über die Kinder, welche enorme Belastungen aushalten müssen, ohne die Hintergründe der psychischen Erkrankung der Mutter oder des Vaters wirklich zu verstehen.

Oder denken wir an das Team am Arbeitsplatz, welches nebst der organisatorischen Unsicherheit von einem Tag auf den anderen sämtliche Aufgabenfelder der ausgefallenen Kollegin übernehmen muss, ohne dafür adäquat entlastet, geschweige denn entlöhnt zu werden – notabene ebenfalls über Monate hinweg und nicht selten nahtlos übergehend in die Einarbeitung eines neuen Teammitglieds.

Auch Angehörige brauchen Entlastung

Es ist daher an der Zeit, den Fokus zu weiten und das persönliche und berufliche Umfeld standardmässig in den Begleitprozess einzubeziehen. Dabei sollen Angehörige, Vorgesetzte und Arbeitskolleg:innen nicht nur als wichtigen Faktor für den Genesungsprozess von Burnout-Betroffenen gesehen werden, sondern als Individuen mit eigenen Bedürfnissen und Belastungen, die einen dringenden Bedarf an Unterstützung und Entlastung haben. Wenn diese Bedürfnisse weiterhin vernachlässigt werden, werden Angehörige, bzw. Arbeitskolleg:innen die nächsten Burnout-Opfer sein.

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Arbeit und Burnout – und deren Zusammenhänge